Wenn Schule mit ADHS zur täglichen Belastungsprobe wird.
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Unser Weg mit ADHS – und was wir gelernt haben.
Ein Beitrag von Marie von Calmi
Es gab eine Zeit, da fühlte sich jeder Schultag an wie ein neuer Kampf.
Morgens schickten wir Kosta mit einem Kuss und einem stillen Gebet los – und warteten dann auf den Anruf oder den Eintrag im Mitteilungsheft. „Unruhig im Unterricht“, „Stört die Klasse“, „Kann sich nicht konzentrieren“.
Manchmal waren es nur ein paar Worte, aber es traf uns tief, dass man sich mittlerweile in der Schule nur noch auf das fokussierte, was schlecht lief.
Wir gaben alles: Gespräche mit Lehrkräften, Hausaufgabenbetreuung, klare Regeln zu Hause. Und doch schien es nie genug zu sein.
Das Gefühl, als Eltern zu versagen, wurde zu einem ständigen Begleiter.
Wir fühlten uns machtlos – und gleichzeitig zerrissen zwischen den Bedürfnissen unseres Kindes, den Erwartungen der Schule und der Sorge, allem nicht richtig gerecht zu werden.
ADHS und Schule
Eine besondere Herausforderung
Kinder mit ADHS haben es im System Schule oft besonders schwer.
Die Anforderungen – still sitzen, zuhören, Aufgaben konzentriert bearbeiten – treffen ausgerechnet ihre größten Herausforderungen.
Lehrkräfte stehen unter Druck, ganze Klassen zu managen, und individuelle Begleitung ist oft nur begrenzt möglich.
Das führt zu einem Teufelskreis: Das Kind zeigt auffälliges Verhalten, erhält negative Rückmeldungen, das Selbstwertgefühl sinkt – und die Probleme verstärken sich.
Und was oft übersehen wird: Wie sich das Kind dabei fühlt.
Viele Kinder mit ADHS erleben täglich das Gefühl, „falsch“ zu sein. Sie verstehen oft selbst nicht, warum sie immer wieder kritisiert werden – obwohl sie sich bemühen. Das hinterlässt Spuren. Tiefe Spuren.

Was wir gelernt haben
Strategien für den Schulalltag
Durch unsere eigenen Erfahrungen – und durch viel Lesen, Zuhören und Begleitung durch Coaches und Therapeuten – haben wir fünf zentrale Bereiche identifiziert, die für unser Kind in der Schule einen echten Unterschied gemacht haben:
Positive Verstärkung statt Strafe und Kritik
Kinder mit ADHS erhalten im schulischen Alltag überdurchschnittlich viele negative Rückmeldungen – meist nicht wegen böser Absicht, sondern weil sie mit Reizverarbeitung, Impulssteuerung oder Frustrationstoleranz kämpfen.
Für viele Kinder fühlt sich das an, als würden sie ständig für ihre Persönlichkeit bestraft.
Das Problem: Sie verstehen oft nicht, was genau sie falsch gemacht haben – oder warum.
Was hilft:
- Rückmeldungen niemals vor der Klasse geben – das schützt vor Bloßstellung.
- Korrekturen unter vier Augen, ruhig, wertschätzend, aber klar.
- Positive Verstärkung bewusst einsetzen – nicht nur für „Erfolg“, sondern für Entwicklung:
- Wenn das Kind geduldig geblieben ist
- Wenn es Frust besser ausgehalten hat als sonst
- Wenn es eine Aufgabe beendet oder sich selbst reguliert hat
- Wenn es nicht geschrien, nicht gehauen, sondern gefragt hat
Diese kleinen Siege sind große Schritte.
- Negative Rückmeldungen sollten immer mit einer Alternative verbunden sein, z. B.: „Wenn du merkst, dass du aufspringen willst, kannst du dir kurz den Knetball nehmen oder fragen, ob du eine Pause machen kannst.“
Klare Strukturen und Routinen
Kinder mit ADHS brauchen Orientierung – im Innen wie im Außen.
Je vorhersehbarer der Alltag ist, desto weniger Energie müssen sie für „Organisation“ aufbringen – und desto mehr bleibt für Lernen, Beziehungen und Selbstregulation.
Hilfreich sind:
- Visualisierte Tagespläne (z. B. mit Symbolen, Farben, Uhrzeiten)
- Wiederkehrende Abläufe (z. B. „erst Pause, dann Rechnen“)
- Kleine To-do-Listen zum Abhaken
- Strukturierte Übergänge: „In 3 Minuten räumen wir auf“, nicht: „So, Schluss jetzt!“
Kurze, klare Anweisungen
ADHS bedeutet oft: zu viele Informationen gleichzeitig sind schwer zu verarbeiten.
Deshalb sind einfache, strukturierte Ansagen hilfreicher als ausführliche Erklärungen.
Was funktioniert:
- Eine Handlung pro Satz: „Hol bitte dein Matheheft.“
- Blickkontakt vor dem Sprechen
- Nachfragen zulassen, ohne genervt zu reagieren
- Visualisierungen, Checklisten, Erinnerungskarten
Bewegungspausen einbauen
Bewegung ist keine Störung – sie ist Regulation.
Viele Kinder mit ADHS müssen sich bewegen, um innerlich bei der Sache zu bleiben.
Was hilft:
- Bewegungsphasen fest einplanen – nicht nur „wenn noch Zeit ist“
- Kleine Aufgaben mit Bewegung verbinden: Materialien holen, Fenster öffnen
- Stim-Toys im Sitzkreis oder bei Stillarbeit, wenn gut eingeführt
- Wackelkissen oder flexible Sitzmöglichkeiten, wo möglich
Zusammenarbeit mit der Schule
Es braucht manchmal Mut, die Schule nicht als Gegner zu sehen – sondern als Partner.
Aber genau das ist der Schlüssel: Nicht gegeneinander arbeiten, sondern gemeinsam für das Kind.
Was hilfreich ist:
- Frühzeitiger, ehrlicher Austausch mit Lehrkräften
- Ein gemeinsames Verständnis für das Verhalten entwickeln: „Was steckt dahinter?“
- Unterstützungssysteme nutzen: Schulsozialarbeit, Förderpläne, Nachteilsausgleich
- Realistische Ziele vereinbaren – lieber „Schritt für Schritt“ als Druck in alle Richtungen

Wissenschaftlich fundiert
Was sagt die Forschung?
Zahlreiche Studien zeigen: Selbststimulierendes Verhalten (wie Wippen, Kneten, Summen) hilft Kindern mit ADHS, sich zu regulieren und ihre Aufmerksamkeit zu erhöhen.
Laut dem Journal of Attention Disorders kann z. B. gezieltes „Fidgeting“ die kognitive Leistung verbessern (Sarver et al., 2015).
Das bedeutet: Viele Kinder wissen intuitiv, was sie brauchen – sie brauchen nur Erlaubnis, es auch zu tun.
Praktische Tipps für den Alltag
Einen Skill-Korb einrichten
Ein Skill-Korb ist wie ein kleiner Erste-Hilfe-Kasten für emotionale Regulation.
Er enthält eine Auswahl an Stim-Toys – verschieden in Form, Reiz und Funktion. So kann das Kind je nach Stimmung oder Bedürfnis intuitiv wählen, was gerade hilft.
Beispielinhalt:
- Knautschball oder feste Therapieknete
- Strukturball oder Stoff mit Textur
- Tangle oder Fidget Cube
- Glitzerflasche oder Farbscheibe
- Kopfhörer mit White Noise
Wichtig zu wissen:
Die Tools verlieren mit der Zeit ihren Reiz wenn sie konstant verfügbar sind. Daher ist es sinnvoll mehrere Körbe einzurichten, die immer wieder im Wechsel verwendet werden. Nicht jedes Tool wirkt bei jedem Kind gleich – denn jedes Kind verarbeitet Reize auf seine ganz eigene Weise. Manche Kinder sind besonders sensibel, andere suchen ständig neue Reize. Einige brauchen viel Bewegung, andere eher Schutz vor Reizüberflutung.
Es gibt vier sensorische Typen, die sich in ihrer Wahrnehmung unterscheiden:
sensibel, vermeidend, reizarm registrierend oder reizsuchend.
Wenn du herausfinden willst, welcher Regulationstyp auf dein Kind zutrifft – und welche Tools wirklich unterstützen: Mach unseren kostenlosen Sensorik-Test.
Er wurde auf Basis therapeutischer Fachliteratur entwickelt – für Eltern, die ihr Kind besser verstehen möchten.
So wird der Skill-Korb nicht nur bunt – sondern auch wirksam. Und genau richtig für dein Kind.
Anleitung geben damit Skills wirksam werden
Ein Skill ist nur so hilfreich, wie die Situation, in der es eingesetzt wird.
Damit ein Stim-Toy dem Kind tatsächlich hilft, muss es vertraut, verstanden und mit positiven Erfahrungen verknüpft sein.
Kinder brauchen Klarheit:
Was hilft wann? In welcher Situation? Und wie erkenne ich das überhaupt?
Was helfen kann:
- Sprecht in ruhigen Momenten über Situationen, in denen das Kind schnell überfordert ist
- Führt neue Skills spielerisch und ohne Druck ein – als Teil des Alltags, nicht nur als „Lösung für Problemfälle“
- Erst wenn ein Skill emotional positiv belegt ist, kann es auch in einer Stresssituation greifen
- Nutzt einfache Symbole, Farbkarten oder Routinen, damit das Kind schnell selbst entscheiden kann
- Macht euer Kind zum Experten: „Was brauchst du, wenn es in dir laut wird?“
- Tauscht die Körbe immer wieder aus, damit sie interessant bleiben
Diese Skills sind kein Allheilmittel – aber ein echter Hebel für Selbstwirksamkeit und Selbstregulation. Sie geben dem Kind etwas in die Hand, das funktioniert – ohne dass es dafür angepasst, getadelt oder „ruhiggestellt“ werden muss.
Offen bleiben aber auch tiefer hinschauen
Nicht jedes Tool wirkt sofort. Nicht jede Strategie fühlt sich direkt richtig an.
Und manchmal liegt die eigentliche Herausforderung gar nicht beim Kind – sondern in der Beziehung, in der Kommunikation, in alten Mustern, die uns selbst unbewusst antreiben.
Wenn Konflikte sich wiederholen, wenn alle Beteiligten erschöpft sind, wenn man sich im Kreis dreht – dann reicht ein neues Stim-Toy nicht aus. Dann braucht es einen neuen Blick auf das große Ganze. Genau hier setzen wir mit unserer Familienberatung an.
Wir helfen Eltern, die Muster hinter dem Verhalten zu erkennen,
gemeinsam neue Strategien zu entwickeln – und das Miteinander so zu gestalten, dass wieder Raum für Verbindung, Ruhe und echte Veränderung entsteht.
Skills helfen im Moment. Beziehungsarbeit verändert das System.
Beides braucht es – und genau das bieten wir dir bei Calmi.
Fazit
Eltern eines Kindes mit ADHS zu sein bedeutet nicht, zu versagen.
Es bedeutet, neue Wege zu gehen – entschlossen, mutig und verbunden.
Weg von Druck und Vergleichen – hin zu echter Verbindung, echtem Interesse und gezielter Unterstützung. Denn viele herausfordernde Situationen entstehen nicht aus "Ungehorsam", sondern aus Überforderung und festgefahrenen Mustern, die gelöst werden müssen.
Wir bei Calmi wissen, wie sich das anfühlen kann – und vor allem, was wirklich hilft.
Deshalb begleiten wir Familien nicht nur emotional, sondern auch fachlich:
Mit Eltern-Coachings, die echte Veränderung bringen.
Wir zeigen, wie man das Verhalten seines Kindes besser verstehen – und gezielt in positive Bahnen lenken kann. Wir vermitteln Strategien, um mit Fehlverhalten lösungsorientiert umzugehen – ohne zu drohen, zu schreien oder zu verzweifeln. Und wir unterstützen auch in Erziehungsfragen, die ans Nervenkostüm gehen – oder an die Partnerschaft.
Ein harmonischerer Familienalltag beginnt nicht mit Perfektion, sondern mit den richtigen Werkzeugen, um festgefahrene Muster zu überwinden.
Dazu gehört ein gut gewähltes Stim-Toy zu Selbstregulation genauso wie ein unterstützendes Gespräch. Unser kostenloser Test hilft euch dabei, herauszufinden, welcher Skill-Typ zu eurem Kind passt – und was es braucht, um sich selbst zu regulieren.
Wenn ihr spürt, dass ihr bereit seid, etwas zu verändern – aber nicht mehr allein kämpfen wollt: Dann seid ihr bei Calmi genau richtig.
Lasst uns gemeinsam herausfinden, was euer Familienalltag braucht, um wieder leichter, friedlicher und verbundener zu werden. Wir hören zu. Wir begleiten. Wir unterstützen.
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