Gemeinsame Zeit ohne Kinder, und warum sie euch und euren Kindern gut tut

Gemeinsame Zeit ohne Kinder, und warum sie euch und euren Kindern gut tut

2 Min. Lesezeit

Funktionieren statt fühlen: warum viele Paare sich verlieren

Ein Beitrag von Thorsten von Calmi

Viele Eltern kennen das Gefühl, im Alltag ständig zu funktionieren und sich dabei als Paar aus dem Blick zu verlieren. Manchmal haben wir den Eindruck, dass wir nur noch über Stundenpläne, Wäscheberge und die Termine unserer Kinder sprechen. Man koordiniert, organisiert, macht und regelt, damit der Laden läuft. Am Ende eines langen Tages bleibt oft nur das Gefühl, alles für die Familie getan zu haben und gleichzeitig wenig bis gar nichts füreinander. Die kleinen Spannungen sammeln sich an. Nicht, weil man einander egal wäre, sondern, und das ist das Gemeine daran, weil die Nähe im Alltag so langsam leiser wird, dass manche das erst bemerken, wenn fast nichts mehr übrig ist. Irgendwann merkt man, dass man zwar gut als Team für die Kinder funktioniert, aber immer seltener als Liebespaar miteinander unterwegs ist. Das tut niemandem gut, weder den Erwachsenen noch den Kindern.


Warum das kein Zeichen von Scheitern ist

Das ist normal und keine Schwäche. Elternsein bedeutet oft permanent aufmerksam zu sein. Wer seine kleinen Menschen liebt und begleitet, ist viel im Außen. Selbst die beste Absicht schützt nicht davor, dass Wärme und Aufmerksamkeit zwischen den Partnern dünner werden, wenn Aufgaben, Müdigkeit und Termine den Takt vorgeben. Viele Paare vermissen dann etwas, das sie kaum benennen können. Man ist nicht zerstritten, aber auch nicht mehr ganz verbunden. Beide sehnen sich nach Leichtigkeit und hören doch nur die lauten Anforderungen des Tages. Es ist verständlich, wenn Gespräche dann funktional werden und Intimität auf später verschoben wird. Und aus dem laufenden verschieben wird dann oftmals nie.

 

Wie ein Zufall uns wieder näher gebracht hat

Genau an dieser Stelle hat uns eine genauso einfache wie zufällige Idee geholfen. Im Urlaub ohne Kinder haben wir uns das Buch „Bindungsorientierte Erziehung im Team“ mitgenommen. Ohne ein großes Konzept oder Vorsatz zu haben oder etwas Grundlegendes zu verändern. Marie war neugierig. Also habe ich ihr, anfangs aus Spaß, laut vorgelesen. Wir saßen auf der Terrasse, am Strand oder beim Frühstück. Wir haben immer wieder pausiert, nachgedacht, gelacht, Fragen gestellt und zugehört. Das gemeinsame Lesen wurde zu einem Anker, an dem sich Gespräche ergaben, die sonst zwischen Tür und Angel verloren gehen. Wir stellten fest, dass wir in manchen Momenten unterschiedlich fühlen und dennoch oft das Gleiche wollen. Wir entdeckten, wie viel Verständnis entsteht, wenn niemand recht haben muss und niemand sich verteidigen will. Es war keine Theorieübung. Es war gelebte Beziehung in kleinen Schritten. Lesen. Innehalten. Zuhören. Antwort geben. Und wieder zuhören. Diese Abfolge hat uns viel gegenseitiges Verständnis gebracht und unser Miteinander klarer gemacht. Nicht, weil das Buch eine Zauberformel enthält. Sondern weil das Ritual des gemeinsamen Lesens Raum geschaffen hat, in dem Verbindung entstehen darf.

 

Was sich verändert, wenn ihr euch wirklich zuhört

Seitdem gab es in unserer Beziehung eine spürbare Veränderung. Wir sind schneller im Verständnis und langsamer in der Bewertung. Wir greifen weniger zu alten Mustern, weil wir einander besser im Blick haben. Missverständnisse lösen sich früher auf, weil wir sie nicht erst groß werden lassen. Ein kurzer Blick genügt, um zu merken, was der andere gerade braucht. Wir müssen weniger korrigieren, weil wir mehr verstehen. Diese Veränderung ist nicht spektakulär, aber sie ist still und tragfähig. Sie trägt uns durch stressige Momente, wenn Kinder etwas sehr dringend wollen oder wenn ein Tag zu wenig Stunden hat. Dann erinnert uns die Erfahrung aus dem Urlaub daran, dass Nähe nicht über große Lösungen kommt, sondern über kleine wache Momente, in denen man sich als Paar wiederfindet.

 

Zeit füreinander ist keine Pause von der Familie, sondern Fürsorge für sie

Das Ergebnis fühlt sich warm und stabil an. Wenn die Paarbeziehung sich sicherer anfühlt, profitieren die Kinder unmittelbar. Sie nehmen die Ruhe und Sicherheit wahr, die zwischen den Erwachsenen entsteht. Sie erleben, dass Grenzen halten können, ohne hart zu wirken, weil sie von Verbundenheit getragen werden. Sie sehen Eltern, die einander wohlwollend begegnen und die eigenen Bedürfnisse aussprechen, ohne den anderen als Gegner zu erleben. Das macht den Familienalltag leichter. Es macht Übergänge sanfter. Es macht die Atmosphäre zu Hause freundlicher. Deshalb lautet unsere Einladung, wenn es bei euch möglich ist: nehmt euch Zeit füreinander. Nicht, um Probleme abzuarbeiten. Sondern um euch wieder zuzuhören. Ein gemeinsames Buch kann ein guter Einstieg sein. Das eigentliche Geschenk entsteht, wenn ihr euch im Gespräch wieder begegnet. Dann wächst Nähe, und mit ihr wächst die Sicherheit eurer Kinder.

 

Zurück zum Blog