Umgang mit schwierigen Situationen - so gehst du mit Fehlverhalten deines Kindes liebevoll und klar um

Umgang mit schwierigen Situationen - so gehst du mit Fehlverhalten deines Kindes liebevoll und klar um

6 Min. Lesezeit

Wie du reagieren kannst, wenn dein Kind sich "danebenbenimmt"

Ein Beitrag von Marie von Calmi

Es gibt diese Tage, an denen wir am liebsten die Uhr zurückdrehen würden. An denen unser Kind etwas tut, dass uns ratlos, wütend oder auch verletzt zurücklässt. Vielleicht hat es in der Schule die Mitarbeit verweigert, oder ein anderes Kind geschubst. Vielleicht war es einfach nur respektlos, oder hat ohne zu fragen etwas mitgenommen. Manchmal reicht aber auch schon eine vermeintlich harmlose Situation: Der x-te Morgen, an dem dein Kind trödelt, obwohl du es eilig hast, und du merkst, wie deine Geduld dünner wird als dir lieb ist. 

Und dann passiert es: Du wirst laut. Oder du sagst etwas, das du so gar nicht sagen wolltest. Vielleicht ziehst du dein Kind zur Seite und machst ihm eine Ansage. Vielleicht entlädt sich deine eigene Überforderung in einem Monolog, bei dem du genau weißt – das bringt jetzt niemandem etwas. 

 

Was tun, wenn das eigene Kind aus der Spur gerät?

Der erste Impuls: reagieren. Erziehen. Korrigieren. Doch was Kinder in solchen Momenten am wenigsten brauchen, ist eine spontane Standpauke. Und jetzt mal ehrlich: Hat das dein Kind jemals dazu gebracht sein Verhalten zu ändern?  Auch wir selbst brauchen erst einmal etwas anderes: einen Moment der Ruhe.

Denn in dem Augenblick, in dem unser Puls rast und unsere Stimme lauter wird, ist keine echte Verbindung möglich. Weder dein Kind noch du selbst seid dann in der Lage, ruhig und klar miteinander zu sprechen. Deshalb: Nimm dir Zeit. Atme durch. Lass die Situation sacken – so wie sie war – ohne sie sofort lösen zu müssen. Du darfst die Sache verschieben, bis ihr beide wieder Luft habt. Das ist kein Aufschub, es ist Selbstfürsorge.

Was ist überhaupt passiert?

Wenn der Sturm sich gelegt hat, ist es Zeit zuzuhören und nicht zu belehren oder zu analysieren. Einfach zuhören. Vielleicht versteht dein Kind selbst noch nicht, warum es so gehandelt hat. Gerade jüngere Kinder tun sich schwer damit, ihr Verhalten zu reflektieren. Umso wichtiger ist es, mit Fragen Raum zu schaffen:
Wie hast du dich in dem Moment gefühlt?
Was war schwierig für dich?
Was ist passiert, bevor das passiert ist?

Es geht nicht darum, Schuld zu klären – sondern um Verständnis. Für die Situation. Für das Kind. Und auch für dich selbst.

 

Jedes Verhalten hat ein Ziel – was dein Kind dir wirklich zeigen will

Vielleicht hast du dich auch schon gefragt: „Warum macht mein Kind das bloß?“ Warum provoziert es ständig? Warum ignoriert es Absprachen, lügt oder verweigert die Mitarbeit? Doch die bessere Frage lautet: Wozu? Also: Was will mein Kind mit diesem Verhalten erreichen?  

Denn genau das ist der zentrale Gedanke in der Individualpsychologie nach Alfred Adler: Hinter jedem Verhalten steckt ein Ziel. Kinder handeln niemals grundlos,  auch wenn es für uns manchmal unverständlich wirkt. Sie versuchen, auf ihre Weise ein Bedürfnis zu erfüllen: nach Zugehörigkeit, Bedeutung, Einfluss, Aufmerksamkeit oder Sicherheit. Wenn sie sich danebenbenehmen, dann meist deshalb, weil sie (noch) keinen besseren Weg kennen, sich auszudrücken.  

Wie kannst du das als Elternteil erkennen?

Indem du die Perspektive wechselst. Anstatt sofort zu erziehen oder zu korrigieren, frage dich in einer ruhigen Minute:  Was will mein Kind mir mit diesem Verhalten vielleicht zeigen?  Fühlt es sich gerade nicht gesehen, nicht zugehörig, machtlos oder überfordert?  Was könnte es brauchen, aber weiß nicht, wie es das sagen soll?

Diese Fragen helfen dir, nicht in die Falle von Schuldzuweisungen zu tappen, sondern echtes Verständnis aufzubauen.  Ein paar typische Beispiele: 

Dein Kind provoziert dich ständig mit frechen Sprüchen oder Widerstand 
Möglicher Zweck: Es fühlt sich übergangen oder nicht ernst genommen und will Einfluss nehmen oder sich autonom erleben.
Frag dich: Wo könnte ich meinem Kind gerade mehr Mitbestimmung geben? 

Dein Kind zieht sich völlig zurück, redet kaum oder zeigt keine Reaktion 
Möglicher Zweck: Es fühlt sich unsicher, überfordert oder innerlich verletzt  und will sich schützen.
Frag dich: Wie kann ich ohne Druck Nähe anbieten, damit es sich wieder sicher fühlen kann? 

Dein Kind macht Quatsch, sobald Besuch da ist, oder unterbricht ständig 
Möglicher Zweck: Es sucht Aufmerksamkeit oder Zugehörigkeit in einer Situation, in der es sich gerade nebensächlich fühlt.
Frag dich: Wo kann ich ihm zeigen, dass es wichtig ist, auch ohne dieses Verhalten?

Dein Kind lügt oder gibt anderen die Schuld 
Möglicher Zweck: Es möchte vermeiden, bloßgestellt oder beschämt zu werden und sucht Schutz vor Bewertung.
Frag dich: Wie kann ich ihm vermitteln, dass Fehler okay sind und dazugehören? Und was kannst du konkret tun?

Beobachte das Verhalten ohne zu bewerten. Was genau tut dein Kind und in welcher Situation?  Achte auf wiederkehrende Muster. Tritt das Verhalten in bestimmten Momenten besonders häufig auf?  Versuche, das unausgesprochene Bedürfnis zu erkennen. Frage dich: Was könnte mein Kind brauchen, das es gerade nicht sagen kann?

Und wenn du mit deinem Kind ins Gespräch gehst, kannst du z. B. sagen:

Ich habe gemerkt, dass du in letzter Zeit oft wütend wirst, wenn ich etwas von dir will. Ich frage mich, ob du dich manchmal nicht ernst genommen fühlst?

Es sieht so aus, als wärst du richtig enttäuscht gewesen, als du vorhin so laut geworden bist. Wollen wir mal gemeinsam schauen, was da los war?

Mir ist aufgefallen, dass du in solchen Momenten immer besonders laut wirst – vielleicht willst du sicherstellen, dass ich dich überhaupt höre?

Wenn dein Kind sich verstanden fühlt, öffnet es sich eher und ist bereit, andere Wege zu lernen, mit schwierigen Gefühlen umzugehen.  Der Schlüssel: Verbindung statt Kontrolle Je besser du das Wozu hinter dem Verhalten erkennst, desto leichter fällt es dir, dein Kind zu begleiten, statt zu bestrafen. Und genau das schafft Raum für echte Entwicklung: Nicht durch Druck oder Angst, sondern durch Vertrauen und Beziehung.  Denn Kinder, die sich gesehen und verstanden fühlen, müssen nicht laut werden, um gehört zu werden.

 

Worte, die verbinden

Oft wollen wir klar und deutlich sein – und greifen dabei zu Du-Botschaften, die sich für Kinder wie Urteile anfühlen. Sätze wie „Du bist so respektlos“ oder „Immer machst du Ärger“ treffen nicht das Verhalten, sondern die Person. Das verletzt – und führt dazu, dass dein Gegenüber dicht macht.

Sprich stattdessen von dir:
„Ich war traurig, als ich gehört habe, was passiert ist.“
„Es hat mich erschreckt, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen soll.“
„Wenn du nicht rechtzeitig fertig bist, fühle ich mich gestresst, weil ich pünktlich zur Arbeit kommen muss.

Solche Sätze öffnen den Raum für ein Gespräch auf Augenhöhe. Und sie zeigen: Ich sehe dich. Ich verurteile dich nicht dich, sondern ausschließlich das Verhalten. Aber ich nehme dich und deine Perspektive ernst.

 

Und jetzt? Gemeinsam nach vorne schauen

Was immer geschehen ist, es lässt sich nicht rückgängig machen. Aber ihr könnt es gemeinsam verstehen, nachvollziehen und Alternativen entdecken, wie dein Kind in einer schwierigen Situation selbst anders handeln kann. Was genau war schwierig? Was könnte beim nächsten Mal anders laufen? Welche Möglichkeiten hätte dein Kind gehabt und welche sieht es vielleicht jetzt?

Solche Gespräche brauchen nicht viel Übung, geben deinem Kind aber wichtige Werkzeuge für den Alltag mit auf den Weg. Damit bestärkst du dein Kind und vermittelst: Ich traue dir zu, es beim nächsten Mal besser zu machen.

 

Konsequenzen, die nicht verletzen – sondern wachsen lassen

Kinder müssen nicht bestraft werden, um zu lernen. Aber sie müssen die Konsequenzen ihres Handelns erleben dürfen. Das bedeutet nicht Strenge oder Härte – sondern Klarheit, Orientierung und Verlässlichkeit.

Wenn dein Kind morgens trödelt, ist es vielleicht eine logische Folge, dass es so aus dem Haus geht, wie es gerade ist, vielleicht ohne Frühstück oder ungekämmt. Nicht als Strafe. Sondern als Erfahrung. Wenn dein Kind etwas beschädigt hat, dann darf es (altersgemäß) mithelfen, es wieder in Ordnung zu bringen. Solche Momente sind keine Niederlagen. Sie sind Chancen. Wichtig ist, dass wir beim Anwenden von Konsequenzen dem Kind immer zugewandt und positiv gegenüber stehen, damit es die Konsequenz nicht als Strafe oder Rache wahrnimmt. So können wir sogar unser Bedauern ausdrücken, dass unser Kind nun mit ungekämmten Haaren in die Schule muss und bleiben so mit ihm auf positive Weise verbunden.

 

Verantwortung übernehmen heißt: auch mal Fehler machen dürfen

Und auch hier braucht es dich: nicht als Retter:in, sondern als Begleiter:in. Du musst nicht alles geradebiegen. Im Gegenteil. Kinder lernen dann am meisten, wenn sie erleben dürfen, dass ihr Verhalten Wirkung hat – und dass sie selbst etwas verändern können. Dafür brauchen sie dein Zutrauen. Und ganz wichtig: Es braucht deine Bereitschaft, loszulassen. 

 

Was, wenn es beim ersten Mal nicht klappt?

Dann redet nochmal und ermutige dein Kind weiter. Erkenne auch winzige Fortschritte an und benenne diese. Vielleicht war der erste Plan zu groß, die Idee nicht passend oder dein Kind einfach noch nicht so weit. Kein Grund zur Sorge. Entwicklung verläuft nicht linear. Sprecht regelmäßig über das, was gut klappt und legt den Fokus auf die Forstschritte statt auf die Fehler und findet gemeinsam Lösungen für das, was noch schwerfällt. Ihr wachst daran. Beide.

 

Und du?

Du musst nicht perfekt sein. Niemand erwartet das. Aber du darfst dein Kind führen und ihm damit wertvolle Orientierung geben. Gerade in den Momenten, in denen dein Kind sich „daneben benimmt“, zeigt sich, wie viel Vertrauen ihr zueinander habt. Und wie viel ihr daraus lernen könnt. Mit dem richtigen und respektvollen Umgang, können selbst schwierige Situationen eure Beziehung stärken, statt sie zu belasten. 

Wenn du das Gefühl hast, dass du in solchen Situationen immer wieder an deine Grenze kommst, dann hol dir Unterstützung von uns. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von echter Stärke und zeigt dein verantwortungsvolles Handeln.

Wir bei Calmi sind da wenn du Begleitung brauchst, um solche Herausforderungen nicht länger allein tragen zu müssen.

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