Was tun, wenn mein Kind einfach nicht hört?
6 Min. LesezeitShare
Wenn dein Kind einfach nicht macht, was es soll und du nur noch gestresst bist
Ein Beitrag von Marie von Calmi
Ich erinnere mich noch genau an diesen einen Morgen.
Meine Tochter saß auf dem Boden, vertieft in ihr Spiel. Es war 7:38 Uhr. Um 7:45 Uhr mussten wir los.
Ich: „Bitte zieh dich an.“
Sie: „Ich bin gleich fertig.“
Ich: „Wir müssen in sieben Minuten aus dem Haus.“
Sie: „Ja, weiß ich. Ich mache das nur noch kurz zu Ende“
In mir brannte alles, ich war angespannt, hatte selbst kaum geschlafen, der Tag war schon voll genug. Und doch stand ich da. Zwischen Brotdose und Winterjacke. Und fühlte wie der Stress in mir aufstieg: Ich komme einfach nicht vom Fleck. Ich bin machtlos.
In solchen Momenten sagen wir Eltern oft Dinge, die wir später bereuen. Oder wir bitten, diskutieren, erklären wieder und wieder. Doch nichts davon verändert die Situation. Warum? Weil Worte allein nicht reichen, denn sie haben keine Folgen. Und weil unser Kind keine Vorträge braucht, sondern eine klare Grenze und die Erfahrung, dass Handeln Folgen hat.
Warum dein Kind nicht macht, was du von ihm möchtest
Das Wichtigste vorab: Es liegt nicht daran, dass dein Kind schlecht erzogen ist. Auch nicht daran, dass du versagt hast. Es liegt daran, dass dein Kind genau das tut, was Kinder tun: Es bleibt in dem Moment, in dem es gerade ist.
Wenn es spielt, dann spielt es. Und der Gedanke, dass es zu spät zur Schule kommen könnte, ist weit weg. Man kann es sich so vorstellen, dass es für Kinder nur zwei Zeiten gibt: Jetzt und nicht jetzt. Alles was gleich ist, ist eben nicht jetzt. Für uns als Erwachsene fühlt sich das wie eine Provokation an. Für das Kind ist es oft einfach ein Ausdruck von Gegenwart, von Bedürfnis, von Selbstbestimmung.
Und trotzdem ist es nicht deine Aufgabe, das endlos zu verstehen, zu entschuldigen oder wegzuerklären. Denn auch du hast das Recht darauf pünktlich aus dem Haus zu kommen und auch dich erwarten Folgen, wenn du jeden Tag zu spät zur Arbeit kommst. Daher handelt es sich bei diesem Beispiel auch nicht um ein Problem des Kindes, sondern um deins. Deine Aufgabe ist daher Führung.
Und die heißt nicht, härter zu werden, sondern klarer und deinem Kind die Möglichkeit zu geben, die Folgen seines Handelns zu erleben.

Die Verantwortung muss dahin, wo sie hingehört
Viele Eltern tun sich schwer damit, Verantwortung wirklich an ihr Kind abzugeben. Aus Liebe, aus Angst oder auch manchmal einfach nur, weil es schneller geht, es selbst zu machen.
„Wenn ich sie jetzt so zur Schule schicke, ohne Frühstück, dann ist es doch noch so lange bis zur Frühstückspause …“
„Wenn ich ihn nicht mehr erinnere, vergisst er doch alles …“
„Wenn ich ihr jetzt nicht helfe, wird sie noch in einer Stunde hier sitzen und hat die Schleife noch immer nicht gebunden“
Aber genau das ist der Punkt.
Wenn wir unsere Kinder immer wieder vor den natürlichen Folgen ihres Verhaltens schützen, berauben wir sie einer der wichtigsten Lernerfahrungen überhaupt:
Was ich tue, hat Wirkung. Ich gestalte mit. Ich trage Verantwortung.
Und: Wenn ich es nicht tue, übernimmt auch niemand anderes das für mich.
Kinder, die das nicht lernen dürfen, wachsen in einer Welt auf, die nicht existiert.
In einer Welt, in der immer jemand rettet. Immer jemand übernimmt. Immer jemand da ist, der nachräumt, erinnert, nachgibt.
Doch das echte Leben funktioniert anders.
Wenn ich nicht pünktlich zur Arbeit erscheine, verliere ich irgendwann meinen Job.
Wenn ich nicht einkaufe, bleibt der Kühlschrank leer.
Wenn ich mich nicht um meine Beziehungen kümmere, vereinsame ich.
Und unsere Kinder müssen, in kleinen Schritten, genau das lernen um selbstwirksam und verantwortlich handeln zu können. In einem sicheren Rahmen. Mit uns an ihrer Seite. Aber ohne, dass wir jede Erfahrung für sie abfedern.

Der entscheidende Unterschied: Konsequenz statt Strafe
Es geht nicht darum, dein Kind absichtlich scheitern zu lassen oder sich über seinen Misserfolg zu freuen, weil man es ihm ja gleich gesagt hat, dass es so kommen wird.
Sondern darum, nicht länger als Erwachsener den Preis für etwas zu zahlen, das dein Kind selbst beeinflussen und verantworten kann.
Wenn es sich nicht kämmt, dann geht es ungekämmt mit.
Wenn es trödelt, landet das Frühstück im Rucksack und kann in der Schule gegessen werden.
Wenn es seine Aufgaben nicht erledigt, bekommt es Rückmeldung, nicht von dir, sondern vom Leben.
Und ja: Das ist schwer auszuhalten. Vor allem wenn man seine Kinder liebt und glücklich sehen will und am liebsten jede negative Erfahrung von Ihnen fern halten will. Aber wir stärken ihren Selbstwert damit nicht, wir schwächen ihn. Denn es lernt nicht, dass es Probleme selbst lösen kann, verantwortlich für sein Handeln ist und verlässt sich darauf, dass andere in der Verantwortung für sein handeln sind.
Es ist schwer, das Kind weinend in die Schule zu bringen, weil es seine Hausaufgaben vergessen hat. Es ist schwer, nicht doch noch einzugreifen, wenn du siehst, dass es nicht loskommt.
Aber diese Momente, in denen wir aushalten, sie nicht retten zu müssen sind die, in denen unsere Kinder wachsen. Sie lernen: Ich habe Einfluss. Und ich trage Verantwortung.
Aber sei auch wachsam:
Wenn ein Kind sich, andere oder Eigentum in Gefahr bringt, egal ob körperlich oder emotional, braucht es sofort eine Grenze.
Dann ist unser Job nicht, Erfahrungen zuzulassen, sondern Schutz zu geben ohne zu zögern. Führung heißt: Ich erkenne, wann ich loslassen kann und wann ich eingreifen muss.
Was du tun kannst, wenn du dich ohnmächtig fühlst
Wenn dein Kind nicht tut, was es soll, hör auf, dich zu erklären.
Nicht, weil dein Kind es nicht wert ist, verstanden zu werden. Sondern, weil es im falschen Moment nichts bringt. Sprich nicht zehnmal. Frag nicht fünfmal. Diskutiere nicht. Sag einmal klar, was du brauchst. Und was passiert, wenn das nicht geschieht.
Und dann: Lass es geschehen.
Nicht als Drohung. Sondern als Realität.
„Ich erinnere dich heute einmal. Wenn du dich dann nicht entscheidest, dann ziehst du dich im Auto an.“
„Wenn du trödelst, bleibt das Frühstück eingepackt – du kannst es später essen.“
„Wenn du dich nicht entscheidest, dann entscheide ich – und das ist dann vielleicht nicht, was du wolltest.“
Kinder lernen nicht durch Worte. Sie lernen durch das Leben.
Und unsere Aufgabe ist es, ihnen etwas zuzutrauen und das auszuhalten.
Was dadurch passiert
Wenn Kinder erfahren: Meine Eltern meinen, was sie sagen, dann hören sie anders zu.
Wenn sie erleben: Ich kann etwas entscheiden, aber muss dann auch mit den Folgen leben, dann beginnen sie, Verantwortung zu übernehmen.
Und wenn sie merken: Meine Eltern sind klar, aber nicht kalt, dann entsteht Vertrauen.
In dich und in sich selbst. Für deine Kinder bist du so wesentlich berechenbarer und das gibt ihnen Sicherheit.
Du musst nicht hart werden, sondern klar und respektvoll
Erziehung bedeutet nicht, laut zu werden, sondern klar und respektvoll. Dazu gehört es auch, die Entscheidung deines Kindes zu akzeptieren, wenn es sich für die Konsequenz entscheidet. Nicht alles zu erlauben, aber auch nicht alles zu retten. Nicht für dein Kind zu leben, sondern es in sein eignes und unabhängiges Leben zu begleiten.
Denn Liebe zeigt sich nicht nur im Trösten, sondern auch im Aushalten, wenn es deinem Kind weiterhilft etwas wichtiges zu lernen.
Konsequent sein – ohne zu verletzen
Wenn du beginnst, deinem Kind die Verantwortung für sein Handeln zu überlassen, wird es Momente geben, in denen es wütend, enttäuscht oder traurig reagiert. Vielleicht weint es. Vielleicht schreit es. Vielleicht schaut es dich mit einem Blick an, der dir ins Herz schneidet.
In genau diesen Momenten ist es entscheidend, wie du handelst. Nicht kalt. Nicht strafend. Sondern klar und wohlgesonnen. Denn Konsequenz ist kein Synonym für Strafe. Aber sie kann sich wie eine anfühlen, wenn der Ton nicht stimmt.
Ein genervtes „Selber schuld“ oder ein kaltes „Hab ich dir ja gesagt“ verwandelt jede noch so gut gemeinte Konsequenz in eine Machtdemonstration. Und genau das zerstört die Botschaft und entfernt euch von einander.
Dein Kind soll nicht lernen: „Ich bin schlecht.“
Sondern: „Ich kann es beim nächsten Mal anders machen und erhalte dabei die Unterstützung meiner Eltern, die daran glauben, dass ich es kann.“
Zeig dich also ruhig mitfühlend wenn eine Konsequenz eintritt, aber nicht mitleidig. Denn da liegt ein wichtiger Unterschied:
Trost heißt: Ich sehe deinen Schmerz – und ich glaube an deine Kraft, ihn zu überwinden, oder helfe dir dabei.
Mitleid heißt: Ich sehe deinen Schmerz – und halte dich für zu schwach, ihn selbst zu lösen.
Wenn Kinder sich selbst leid tun, kommen sie nicht ins Handeln. Sie bleiben in der Ohnmacht. Doch wenn sie erleben: „Ich darf traurig sein – und trotzdem selbst etwas verändern“, entsteht Selbstwirksamkeit.
Und genau das ist unser Ziel: Kinder, die wachsen dürfen. Nicht, weil wir sie von allem fernhalten, sondern weil wir ihnen zutrauen, etwas auszuhalten. Und daran zu lernen. Wenn wir so handeln, trauen sie sich auch selbst etwas zu.
Bleib liebevoll, respektvoll und klar. Dein Kind braucht nicht deine Strenge und Vorträge, es braucht deine Führung. Und die kann leise, aber kraftvoll sein.
Wenn du merkst, dass dich solche Situationen immer wieder an deine Grenze bringen – und du dich darin verlierst, zwischen Wut, Schuld und Erschöpfung:
Wir bei Calmi begleiten dich.
Wir helfen dir, festgefahrene Muster zu lösen, nicht mit Ratschlägen von oben, sondern mit echtem Verständnis und maßgeschneidet für Eure Situation zu Hause. Für dich. Für dein Kind.
Calmi – beruhigt euch.