Problem Ownership im Familienalltag: Machtkampf mit Kind vermeiden und Gelassenheit gewinnen
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Wie ein einfacher Perspektivwechsel den Familienalltag entspannen kann
Ein Beitrag von Marie & Thorsten von Calmi
Montagabend. Du kommst gestresst von der Arbeit, der Tisch ist gedeckt, das Essen steht bereit – und dein Kind sitzt am Küchentisch, schaut dich nicht an und motzt: „Schon wieder das! Ich will was anderes!“
Du hast gekocht, dich beeilt, dir Mühe gegeben. Jetzt wirst du sauer. „Du kannst ja mal selber kochen!“ Es wird laut. Keiner fühlt sich verstanden. Und irgendwie ist der Abend gelaufen.
Was wäre, wenn du anders reagierst?
Ein Perspektivwechsel beginnt mit einem einfachen Gedanken: Dein Kind hat ein Problem (z. B. weil es müde, überreizt oder enttäuscht ist). Du hast ein anderes Problem (z. B. weil du dich nicht wertgeschätzt fühlst). Zwei Probleme. Zwei Ebenen.
Wenn du das erkennst, kannst du bewusster reagieren. Du musst nicht gleich trösten, nicht schimpfen, nicht nachgeben. Vielleicht sagst du stattdessen:
„Ich sehe, du bist gerade unzufrieden. Wollen wir später drüber sprechen?“
Oder: „Mich hat es verletzt, dass du so reagierst – ich hab mir Mühe gegeben.“

Was ist „Problem Ownership“?
Der amerikanische Psychologe Thomas Gordon nennt dieses Prinzip Problem Ownership – also: Wem gehört das Problem?
Er unterscheidet drei typische Situationen:
• Das Kind hat ein Problem (z. B. ist traurig, überfordert oder frustriert)
• Die Eltern haben ein Problem (z. B. fühlen sich gestört, übergangen oder überfordert)
• Beide haben ein Problem (z. B. Streit, Grenzverletzungen, ständiges Wiederholen)
Die zentrale Frage lautet: Wer ist gerade betroffen – und wer trägt die Verantwortung, etwas zu verändern?
Warum das hilfreich ist
Wenn du erkennst, wem ein Problem „gehört“, musst du nicht mehr automatisch in Aktion treten. Du kannst stattdessen:
• zuhören, wenn dein Kind mit etwas kämpft
• ruhig erklären, wie du dich in der Situation fühlst
• ehrlich benennen, wenn ihr gemeinsam etwas lösen müsst
Drei Dinge, die du sofort anders erlebst
1. Du reagierst bewusster
Nicht jede schlechte Laune braucht eine Lösung. Manchmal reicht es, einfach da zu sein.
2. Du wirst klarer in deiner Sprache
Du kannst sagen: „Ich habe ein Problem mit dem Ton, in dem du gerade sprichst.“ Ohne Schuld. Ohne Drama.
3. Dein Kind lernt Verantwortung
Kinder merken: Ich darf Probleme haben. Und ich kann lernen, damit umzugehen.
Alltagssituationen im neuen Licht
Beispiel: Die Schultasche ist nicht gepackt. Morgens herrscht Hektik. Du fragst nach der Tasche – und merkst, sie ist leer oder das Sportzeug fehlt.
Typische Reaktion: Du rettest die Situation, packst alles ein, rufst notfalls im Sekretariat an, fährst nochmal los.
Perspektivwechsel: Das Problem ist nicht deins – es ist das deines Kindes. Du kannst helfen, Routinen zu etablieren oder Erinnerungshilfen schaffen. Aber wenn du immer rettest, lernt dein Kind: Ich muss nicht daran denken – Mama/Papa regelt das. Verantwortung entsteht nur, wenn man sie auch spürt.
Beispiel: Dein Kind will keine Jacke anziehen. Es ist kalt, ihr müsst los – und dein Kind weigert sich, eine Jacke zu tragen.
Typische Reaktion: Du diskutierst, drohst, nimmst die Jacke mit und ziehst sie ihm unterwegs auf Zwang an.
Perspektivwechsel: Es ist nicht dein Problem, frieren zu müssen. Du kannst erklären, was passieren wird, die Jacke anbieten – und losgehen. Dein Kind macht die Erfahrung selbst. Es merkt: Ich friere, wenn ich keine Jacke trage. Das nächste Mal entscheidet es womöglich anders.
Beispiel: Dein Kind trödelt morgens, zieht sich nicht an, frühstückt ewig.
Typische Reaktion: Du hetzt, erinnerst im Minutentakt, wirst laut – oder ziehst es selbst an.
Perspektivwechsel: Du sagst in ruhigem Ton: „Wenn du um 7:30 Uhr nicht fertig bist, gehen wir trotzdem.“ Dann gehst du. Wenn nötig, mit der Kleidung in der Tasche. Keine Strafe – aber eine logische Folge. Kinder lernen: Meine Entscheidungen haben Auswirkungen.
Wichtig: Es gibt Grenzen
Natürlich gibt es Situationen, in denen du einschreiten musst – etwa wenn die Gesundheit oder das emotionale Wohl deines Kindes gefährdet ist. Hier braucht es klare Führung, Schutz und Fürsorge. Doch in vielen Alltagssituationen darf dein Kind die Konsequenzen seiner Entscheidungen selbst erleben, daraus lernen und selbstbewusster daraus hervorgehen.
Fazit
Nicht alles ist deins. Nicht alles musst du lösen. Aber du darfst entscheiden, wie du damit umgehst. Und dein Kind darf das auch lernen – Schritt für Schritt. Problem Ownership ist keine Methode, sondern eine Haltung. Sie stärkt eure Beziehung – im Alltag, beim Abendessen, im Leben.
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